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Wallfahrt nach Maria Hilf

Maria Hilf, zwischen Hermannstadt und Zuckmantel gelegen, war im Altvatergebiet ein berühmter und zugleich vielbesuchter Wallfahrtsort. Von überall kamen die Pilger, um die Mutter Gottes zu verehren und sie für die Bewältigung ihrer Sorgen und Nöte um Beistand zu bitten.

Auch die Wallsteiner waren eifrige Wallfahrer. Eigentlich müsste es noch zu jener Zeit „Wallgeher“ heißen.

 

Immer nach der Heuernte, meistens so Mitte Juni und zum Feste Maria Geburt, am 8 September führte die Gläubigen aus Wallstein der Weg nach Maria Hilf. Gemeinsamer Treffpunkt aller Pilger aus Großwallstein, Kleinwallstein und Verlorenwasser war die Hegerei am Ende von Verlorenwasser, wo sich der Pilgerzug in einer festen Ordnung aufstellte. Voraus ging der Kreuzträger gefolgt von Fahnenträgern und Pfarrer mit Baldachin. Anschließend reihten sich Kirchenchor und Musikkapelle ein. Den Schluss des Zuges bildeten die Wallfahrer. Auch wenn das Tragen des Baldachins eine beschwerliche Arbeit war, empfanden es die Ausgewählten als besondere Ehre. Bei Regen, wenn sich der „Himmel“ voll Wasser saugte, war dies eine besonders anstrengende Tätigkeit. Vorbei an drei Bildtafeln die an ein erfrorenes Mädchen, einen verunglückten Holzfuhrmann und einen Apotheker aus Jägerndorf der einen Schlaganfall erlitten hatte, erinnerten, führte die Gläubigen der Weg durch den Wald Richtung Hermannstadt. Unterwegs wurden abwechselnd Rosenkränze gebetet und Kirchenlieder gesungen. Die Musikkapelle spielte zwischendurch zum feierlichen Anlass. Gut vier Stunden dauerte der einfache Weg und alle freuten sich, wenn sie beim Vorwitz aus dem Wald austraten, Maria Hilf am Querberg sahen und die Kirchenglocken vernahmen. Besonders feierlich war stets der 8. September, da an diesem Tag immer ein Hochamt stattfand. Nach dem Gottesdienst freuten sich alle, wenn sie ihr in einem Pinkla (Tuch) eingewickeltes Essen verzehren und sich bei den aufgestellten Verkaufsbuden ein Getränk oder ein Andenken kauften konnten. Voller Sehnsucht und mit großen Augen konnten es die Kinder kaum erwarten, bis sie eine Zuckerwatte und ein Kracherla (Sprudel) spendiert bekamen. Nach ca. 2,5 Std. wurde wieder der Rückmarsch mit Gebet und Gesang angetreten. Bei der Hegerei in Verlorenwasser trennte die Wallfahrer wieder der Weg. Die Kleinwallsteiner und die Großwallsteiner aus dem Oberdorf gingen über die Anhöhe, vorbei an der Titzekoppe nach Hause. Die Großwallsteiner aus dem Unterdorf nahem den Heimweg durch Verlorenwasser über den Kirchberg und die Bürger aus Verlorenwasser verschwanden nach und nach auf ihren Höfen. In der Pfarrchronik von Wallstein ist festgehalten, dass sich zwischen 200 bis 400 Pilger aus Wallstein an einer Wallfahrt beteiligten. 

Eine Besonderheit war am Heiligen Abend die Männerwallfahrt zusammen mit dem Pfarrer nach Maria Hilf. Morgens um 6 Uhr ging es los. In manchen Jahren mussten die Männer durch knietiefen Schnee waten. Nach der ersten Andacht stärkten sich die Wallfahrer im angrenzenden Gasthaus und verbrachten die Zeit bis nach dem Mittagessen mit einem Tarock und so manchem Gläschen Brandwein. Vor dem Heimmarsch wurde nochmals die Kirche besucht. Abends trafen sie wieder bei ihren Familien ein, um mit ihnen den Heiligen Abend und um Mitternacht nochmals die Niederkunft des Heilands in der Kirche zu feiern.

Im Jahre 1945 (vermutlich muss es 1942 heißen), so schreibt Herr Ludwig Richter, Druckereibesitzer aus Olbersdorf und Vater von Nikolaus Richter, war nur eine einzige deutsche Prozession in Maria Hilf und zwar aus Wallstein. Sie waren mit Musik und Kirchenchor gekommen und hatten Hunderte von Gläubigen in ihren Reihen.  

Ein besonderes denkwürdige Ereignis beschreibt Herr Rudolf Hockauf aus Wallsein in einem Vortrag am 7.9.1985 wie folgt: „Die letzte Wallfahrt nach Maria Hilf habe ich am 8. September 1945 mit dem Vater von Pfarrer Richter gemacht. Es war wohl die eindruckvollste. Schweigend und betend sind wir durch den Wald gepilgert. Am Querberg angekommen haben wir den Kreuzweg gebetet und als wir zur Wallfahrtskirche kamen, bot sich uns ein trauriges Bild. Die Kirche war auf Anordnung der Tschechen geschlossen. Die Leute knieten auf dem rauhen Boden vor der Kirche und beteten still vor sich hin oder weinten in sich hinein. Der ganze große Platz war voll, es war doch heute der große Wallfahrtstag von Maria Hilf. Es war eine schreckliche und unsichere Zeit. Bedrückt und doch innerlich beglückt kehrten wir heim.“

Wie mussten sich die Menschen damals, nachdem sie bereits Plünderungen, Raub, Misshandlungen, Erniedrigungen und Entrechtungen erlebt hatten, fühlen? Was hatten sie noch von den neuen „Herren“ zu erwarten? Die heute noch gültigen Benesch-Dekrete mit der anschließenden Vertreibung in Viehwaggons war die Antwort!

PAF