Erzbischof
Robert Zollitsch - Adolf Kardinal Bertram
Am
12. Februar 2008 wurde der Erzbischof von Freiburg i.B. Dr. Robert
Zollitsch zum neuen Vorsitzenden der katholischen Deutschen
Bischofskonferenz gewählt. Was verbindet dieses Ereignis
mit uns Sudetendeutschen aus dem Kreis Jägerndorf bzw. mit
Sudetenschlesien (Österreich-Schlesien)? Einerseits ist sein Schicksal
eng mit dem von uns Heimatvertriebenen verbunden.
Wie
in Wikipedia nachzulesen ist, wurde Robert Zollitsch 1938 in Philippsdorf
(Filipovo), heute Bački
Gračac (Serbien),
in der westlichen Batschka
geboren. Er entstammt einer dort ansässigen deutschen, donauschwäbischen
Familie. Im Herbst 1944 wurden 212 deutschstämmige Ortsangehörige durch
die Jugoslawische
Volksbefreiungsarmee größtenteils ermordet (AVNOJ-Beschlüsse).
Unter den Getöteten befand sich Zollitschs 16-jähriger Bruder. Der
sechsjährige Robert Zollitsch, seine Großmutter und drei Cousinen kamen
ins Lager nach Gakovo.
Die restliche deutschstämmige Bevölkerung von Philippsdorf wurde größtenteils
vertrieben.
1946 floh die Familie Zollitsch nach Deutschland.
Andererseits
übt Erzbischof Zollitsch als neuer Vorsitzender der katholischen
Deutschen Bischofskonferenz jetzt ein Amt aus, das Adolf Kardinal Bertram
(1859 in Hildesheim geboren), Fürstbischof von Breslau (1914-1945)
als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz (Vorgängerorganisation
der Deutschen Bischofskonferenz) von 1920–1945 begleitete. Damals gehörte
u.a. Sudetenschlesien zum Teil zum Bistum Breslau wozu u.a. auch der
Gerichtsbezirk Olbersdorf gehörte. Somit war Kardinal Bertram auch unser
katholischer Bischof in Wallstein. Ausgenommen vom Bistum Breslau waren
z.B. die Amtsgerichtsbezirke Hotzenplotz und Hennersdorf, die als alte Mährische
Enklave ebenso wie Jägerndorf und Troppau dem Bistum Olmütz zugeordnet
waren. Vielleicht gibt es noch Leser des Jägerndorfer Heimatbriefes, die
von Kardinal Bertram gefirmt wurden?
Sudetenschlesien
blieb nach dem Ersten Schlesischen Krieg von 1742 mit Preußen bei Österreich
und wurde ab 1919 dem neuen Staat Tschechoslowakei einverleibt.
Interessanterweise änderte dies nichts an der Zugehörigkeit zum Bistum
Breslau, das bis zum Ende des 2. Weltkriegs zu Deutschland gehörte.
Im
Zuge der Säkularisation
hob Preußen 1810 sämtliche landesherrlichen Rechte und den Grundbesitz
des Bistums Breslau auf. Den Fürstbischöfen verblieben nur die Besitztümer
in Österreichisch Schlesien, die vom Sommersitz der Bischöfe, dem Schloss
Johannesberg in Jauernig
bei Freiwaldau verwaltet wurden. Nach dem Zusammenbruch Breslaus 1945
floh Kardinal Bertram nach Jauernig
in den damals tschechoslowakischen
Teil seiner Diözese, wo er kurz danach in seiner Sommerresidenz
Johannesberg am 6. Juli starb und bestattet wurde. 1991 fanden seine
Gebeine im Breslauer
Dom die endgültige Ruhestätte. Kardinal Bertram war der
letzte deutsche Bischof in Schlesien.
Erst
1978 wurde der in der Tschechoslowakei liegende Teil des Erzbistums
Breslau an das Erzbistum
Olmütz angegliedert.
Das
Schloss Johannesberg kann heute besichtigt werden. Vieles aus dem Besitz
der Bischöfe von Breslau ist ausgestellt. Kernstück ist eine einmalige
Sammlung von ca. 2.000 Tabakspfeifen,
in der sich besonders kunstvolle Objekte aus Porzellan
und Meerschaum
befinden und die die größte ihrer Art in Mitteleuropa darstellt.
Von
Interesse dürfte in diesem Gesamtzusammenhang die Geschichte des Priesterseminars
in Weidenau bei Freiwaldau in Sudetenschlesien sein, an dem viele
katholische Priester unserer Heimat ihre Ausbildung erhielten. So
erhielten z.B. die Geistlichen Richard Weidlich 1926 und Nikolaus Richter
1935 die in Wallstein als Pfarrer oder Administrator tätig waren die
Priesterweihe in Weidenau. Ob die anderen Pfarrer oder Administratoren von
Wallstein: Stephan Gruner (geweiht 1906), Maximilian Kaschel (geweiht 1923
und Eduard Nowak (geweiht 1906) auch in Weidenau ihre Weihe erhielten,
konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen.
Die Existenz eines österreichischen Anteils des
Bistums Breslau mit besonderen pastoralen und nationalen Eigentümlichkeiten
habe Georg Kardinal von Kopp, Fürstbischof von Breslau (1887-1914) und
auch Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz (1897-1913) bewogen, 1899
ein eigenes Priesterseminar mit Philosophisch-theologischer Lehranstalt
in Weidenau einzurichten. Bekanntester Professor in Weidenau war wohl
Erich Kleineidam (1905-2005), der ab 1939 dort Philosophie lehrte und u.a.
sich ab 1952 als Gründungsrektor der Katholisch-theologischen Fakultät
der Universität Erfurt besondere Verdienste erwarb.
Das Priesterseminar hatte nach seiner Schließung
eine wechselvolle Geschichte: Gefangenenlager, Getreidelager, Nutzung
durch die tschechoslowakische Armee. 1996 diente es noch als
Kindererholungsheim, danach kurz als Flüchtlingslager für
Kosovo-Albaner. Wie aus der Veröffentlichung von Radio Prag vom 16.8.2007
zu entnehmen war, wird der Gebäudekomplex jetzt in die erste
Verwahrungsanstalt für Sexualtäter in Tschechien umgebaut.
PAF