Von
der Wiege bis zur Bahre mit Gottes Segen
Das
Leben in unserem geliebten Wallstein hatte, wie in den meisten anderen
sudetendeutschen Gemeinden bis zur Vertreibung der Einwohner im Jahr 1946
für viele Generationen seine festen Bahnen und in diesen Ablauf waren die
Menschen fest eingebunden.
Das
„echte“ Leben begann auch in Wallstein mit der Geburt.
Die Frauen arbeiteten meistens bis zum Tag der Niederkunft und gebärten
ihre Kinder zu Hause. Wenn es dann soweit war, wurde die Hebamme geholt.
Schon
wenige Tage nach der Geburt trug der Pate oder die Patin den neuen Erdenbürger
zur Taufe in die Kirche, um ihn von diesem frühen Zeitpunkt bereits mit
Gott und der Kirche zu verbinden und diese Bindung galt in den
allermeisten Fällen ein Leben lang. Austritt aus der Kirche war zumindest
in Wallstein unbekannt. Anschließend feierte die Familie das Ereignis zu
Hause. Die es sich leisten konnten oder ein gewisses Geltungsbedürfnis
hatten, gingen ins Gasthaus. Bis 1938 wurden die Geburten ins Kirchenbuch
eingetragen. Nach dem Anschluss des Sudetenlands an das Deutsche Reich war
das Ereignis dem Standesamt auf der Gemeinde zu melden.
Die
Erstkommunion
wurde in Wallstein nicht am Weißen Sonntag sondern jedes Jahr an Christi
Himmelfahrt (40 Tage nach Ostern) zelebriert und dies war meistens im Mai.
Nach der Kirche feierten die Kommunionkinder im Pfarrsaal mit gebackenem
Kuchen und einem Kracherla (Sprudel) ihren denkwürdigen Tag zusammen mit
dem Pfarrer, den Eltern, den Geschwistern und den Ministranten. Anschließend
wurde mit dem Pfarrer eine kleine Wanderung in die nähere Umgebung
unternommen. So führte sie 1938 einen Ausflug nach Heinzendorf zum Kreuz
am Schulstein. Der Abschluss des Tages wurde mit einer feierlichen
Maiandacht begangen.
Die
Firmung
der Heranwachsenden fand in
Olbersdorf statt. Mit der Firmung
sollen die als Kinder Getauften ihre Taufe eigenständig bestätigen,
indem sie selbst ein Bekenntnis zu Jesus Christus ablegen. Natürlich
freuten sich alle auf das anschließende Geschenk des Firmpaten oder der
Firmpatin. Traditionell durften die Firmlinge ihre erste Uhr am Arm stolz
nach Hause tragen. Bevor der Rückweg nach Wallstein angetreten wurde, stärkten
sie sich im Cafe Schramm in Olbersdorf. Genussvoll ließen sich die
Gefirmten mit Schokolade und Kracherla die beliebte „Schmettenrolle“
(Rahmschnitte) schmecken. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass
Olbersdorf und damit u.a. auch Wallstein zum Bistum Breslau gehörten.
Der
Bund fürs Leben
war in Wallstein nur mit Gottessegen vorstellbar. Das Brautpaar wurde von
zu Hause abgeholt. Viele ließen sich mit einer Kalesche (leichte vierrädrige
Kutsche) zur Kirche bringen. Später übernahm dann das Automobil diese
Fahrt. Unterwegs versperrten Kinder mit einem Band den Weg, um für die
Freigabe ein paar Heller vom Brautpaar abzuverlangen. Dies nannte man „Vierzieh“.
Dafür kauften sie sich beim Kaufmann Gottwald
oder Scheiblich ein paar „Bumslan“, „Zockerlan“ oder „Gutslan“.
Zuerst
wurden der Bräutigam und dann die Braut zusammen mit den Brautzeugen
abgeholt. Je nach Verlangen waren Kirchenchor und Musikkapelle im Einsatz.
In Verlorenwasser hatten z.B. Gans Karl und Steiner Johann eine Kalesche.
Gefeiert wurde beim Brautvater zu Hause, der auch alles zu bezahlen hatte.
Erst abends ging es ins Gasthaus. Zu dieser Zeit war es noch üblich, dass
der Hochzeiter beim Brautvater um die Hand der Tochter anhielt und um
seine Zustimmung bat. Sein Ja-Wort war auch immer mit einer Mitgift bei
der Hochzeit verbunden. Bei vielen Töchtern in einer Familie war das für
den Brautvater eine kostspielige Angelegenheit. So entfuhr es meinem Großvater
als von seinen fünf Töchtern innerhalb kurzer Zeit die vierte sich
verheiraten wollte: „Ich
ward noch verreckt, etz kemmt schond wiedr ane (eine).“
Wenn
das Leben zu Ende war, wurde der Verstorbene zu Hause 3 Tage aufgebahrt
– im Sommer etwas kürzer. Umgehend nach der Todesstunde
wurden die Kirchenglocken geläutet. In Verlorenwasser erklang die Glocke
des Spritzenhauses, die Frau Marie Poppe, VW 10 betätigte. Übrigens war
die Glocke auch täglich früh, mittags und abends zu hören.
Der Kirchenchor und
Pfarrer begleiteten den Leichnam zur Kirche, um das Requiem zu feiern.
Nach der Bestattung folgte der Leichenschmaus mit den geladenen Gästen
(Verwandte und Bekannte).
PAF