„Im
Nachfolgenden berichte
ich über die Ereignisse
in Wallstein bei
Olbersdorf, Kreis Jägerndorf
und Jägerndorf
selbst, die sich vom
Juli 1945 bis Juni 1946
unter dem tschechischen
Terror abspielten.
Wallstein war ein
kleiner Gebirgsort, von
kleinen, fleißigen
Bauern besiedelt, die
ihre steil liegenden
Felder unermüdlich
bebauten und nachweisbar
seit dem 30-jährigen
Krieg dort wohnten.
Urkunden zeigen eine
Reihe von 12 bis 14
Ahnen auf. Im Juni und
Juli 1945 war es in
Wallstein, im Gegensatz
zu anderen Orten, wo
sich der Pöbel und das
Untermenschentum (unter
Führung von Gendarmen)
aufs entsetzlichste
austobten, verhältnismäßig
ruhig, weil die
entlegenen Dörfer noch
nicht von ihnen
heimgesucht wurden. Dann
war allerdings auch bei
uns die Hölle los.
Eines
Tages kamen die
Tschechen nach Kuhberg,
eine Expositur bei
Wallstein und suchten
bei dem Heger Schnaubelt
nach Waffen, fanden aber
keine, da dieser seine
Jagdwaffen bereits
abgeliefert hatte. Da
man ihm keinen Glauben
schenkte, banden sie ihm
einen Strick um den
Leib, schleiften ihn die
Bodenstiege hinauf und
ließen ihn dann von
oben herunterfallen. Das
wiederholten sie mehrere
Male. Als Schnaubelt
bewußtlos wurde, goß
man ihm einen Kübel
Wasser über das
Gesicht, zog ihn dann
aus und schlug ihn mit
einer Riemengeißel, an
deren Riemenenden
wahrscheinlich spitze Nägel
eingeflochten waren,
denn die zerfetzte Haut
deutet darauf hin.
Schnaubelts Zustand war
so schlecht, daß ihn
seine Frau versehen ließ.
Eines
Tages, die Hunde bellten
wie besessen, kamen die
Tschechen wieder einmal
nach Wallstein. Immer,
wenn ich die Hunde hörte,
packte ich meine
Papiere, sperrte das
Haus zu und ging
„stiften“. Die
Nachbarn meinten, wenn
sie mich sahen: „Aha,
die Frau Ott geht wieder
auf Reisen!“ Ich hatte
ganz einfach das fatale
Gefühl, daß mich eines
Tages die Tschechen
holen und ins Lager
sperren würden, wenn
nicht gar „hinter
Gitter“. Ich stieg auf
die nahe gelegene Anhöhe
und besah mir von oben
das Landheim (Anmerkung:
so nannten sie immer ihr
Haus in Wallstein).
Sollten die Tschechen
doch alles herausholen,
was sie wollten,
Hauptsache, ich blieb
frei, um nach meinem
Manne forschen zu können,
von dem ich zu dieser
Zeit noch nicht wußte,
wohin ihn die Tschechen
verschleppt hatten. Ich
sah auch wirklich bald
darauf ziemliche
Bewegungen um unser
Haus. Deutliches konnte
ich nicht erkennen, da
ich kurzsichtig bin und
die Tschechen mir bei
der Hausdurchsuchung in
Jägerndorf beide Gläser
gestohlen hatten. Ich
hatte nur ein
geschenktes Einglas.
Ich
mußte viele Stunden auf
dem Berg ausharren, bis
endlich unter mir Ruhe
eintrat. Als ich
vorsichtig ins Dorf
hinunterschlich, erfuhr
ich, daß die Tschechen
bei meinem Nachbarn
Josef Appel alles
durchsucht und vieles
mitgenommen hatten,
darunter auch einige
Kleider meines Mannes
und Wäsche aus dem
Landheim, die ich meinem
Nachbarn zur
Aufbewahrung übergeben
hatte. Es war wie ein
Verhängnis: Wo ich
etwas versteckt hatte,
da war in kurzer Zeit
Hausdurchsuchung und
meine Habe mit
verschwunden. So bei
meinem Nachbarn Hofmann
mein ganzes Bargeld,
1250 Mark und Wäsche,
beim Kaufmann Gottwald
Bettzeug und Kleider.
Ich denke noch heute mit
tiefer Dankbarkeit an
meine lieben
Wallsteiner, die mich
bis zur Aussiedlung mit
Geld und Lebensmitteln
unterstützten, vor
allem Mühlenbesitzer
Heinisch, meine Nachbarn
Appel und Hofmann.
Trompetenappel, wie er
allgemein genannt wurde,
weil er in seiner
Freizeit Trompete
spielte, nahmen sie
leider bei der
Hausdurchsuchung mit. Er
kam „hinter Gitter“
ins Jägerndorfer
Panzerlager. Der Schock
und die ungerechte
Internierung trugen wohl
zu seinem frühen Ende
bei.
Die
Tschechen dachten sich
immer neue „kleine
Scherze“ aus
Da
Wallstein nicht ins
Lager mußte (einer der
wenigen Orte des Kreises
Jägerndorf), (Anmerkung:
die Wallsteiner wurden
erst 1946 kurz vor ihrer
Vertreibung für einige
Tage ins Jägerndorfer
Lager verbracht, um von
dort mit Viehwaggons
abtransportiert zu
werden) hielten sich
die Machthaber
anderweitig schadlos.
Unter dem Vorwand einer
Hausdurchsuchung stahlen
sie alles, was ihnen
unter die Hände kam und
was ihnen gefiel. Der
Deutsche war machtlos,
rechtlos, ein Stück
Vieh, das man schlagen,
erschlagen und
austreiben konnte, wie
es beliebte. Möbel,
Kleider, Wäsche,
gesparte Lebensmittel
(obwohl die Tschechen
genug zu essen hatten),
wurden mitgenommen und
auf Wagen, die der Bauer
noch zu stellen mußte,
fortgeschafft. Weil
ihnen die einzelnen
„Hausdurchsuchungen“
zu langsam gingen, wurde
eine sogenannte
Wirtschaftskontrolle
durchgeführt!
Am
26. Oktober 1945 wurde
das Dorf zeitig in der
Früh von allen Seiten
durch tschechische
Gendarmerie (500 – 600
Mann) abgeriegelt und
dann wurde systematisch
jedes Gehöft, jedes Häuschen
„durchsucht“, das
Beutegut auf Wagen
verladen und
abtransportiert. Wer
sich weigerte, etwas
herauszugeben, wurde
zusammengeknüppelt.
Eine alte Frau (Schmied
aus Verlorenwasser) die
in ihrer Not, vielleicht
auch aus Angst, einen
Ofenhacken erwischte,
und damit die Räuber
abwehren wollte, wurde
von zwei tapferen Helden
ins Zimmer geschleift
und ihr armer, alter Körper
mit Gummiknüppeln ganz
zerschlagen, daß er
aussah, wie ein Stück
rohes Fleisch. Ich sah
die Frau selbst, denn
ich rieb ihren Rücken
mit Salbe ein. Ich war
zu dieser Zeit noch
immer in unserem
Landheim in das ich geflüchtet
war, als nach der
Verschleppung meines
Mannes Partisanen in
unser Haus in Jägerndorf
eindrangen und nach
widerrechtlicher
Wegnahme eines großen
Teiles unserer
beweglichen Habe (das
Haus mit Inventar war
vom Narodni Vybor für
einen Tschechen
beschlagnahmt), mir
angedrohten, sie würden
mich in ein
Konzentrationslager
bringen.
Nach
dieser „Kontrolle“
kamen die Tschechen öfters
ins Dorf, um Stichproben
zu machen. Ich allein
hatte in der Zeit von
Juli 1945 bis Mai 1946
sechs
Hausdurchsuchungen,
meistens in der Nacht.
Daß ich dies alles überstanden
habe, ist mir heute noch
ein Rätsel. Denn immer
waren die Besucher
schwer bewaffnet mit
Maschinenpistolen, die
drohend auf mich
gerichtet waren. Ein
etwas groteskes Bild:
Eine wehrlose Frau und
zehn oder mehr
bewaffnete Männer.
Über
den Geist und die
Methoden der Tschechen
zwei weitere Beispiele:
Unser
Nachbar, Josef Hofmann,
wurde eines Abends um 9
Uhr, nachdem man die
Haustür eingedrückt
hatte, aus dem Bett
getrieben und gezwungen,
mit der Laterne in ein
nahegelegenes Wäldchen
mitzugehen. Man hatte
dort, da man sämtliche
Steinrücken und Wäldchen
nach verstecktem Gut
durchsuchte, eine Kiste
mit Mehl gefunden. Der
Bauer sollte nun
eingestehen, daß er
diese Kiste versteckt hätte.
Da dies Hofmann nicht
konnte, weil es eben
wirklich nicht sein
Eigentum war, mußte er
zuerst die Kiste aus der
Grube heben, sich dann
in dieselbe legen und
dann wurde ihm gesagt,
daß er erschossen würde.
Der eine „Held“ gab
wirklich zwei Schüsse,
allerdings in die Luft
ab, dann durfte Hofmann
aufstehen und das Mehl
zu einem Wagen tragen,
der am Wege bereitstand.
Bei dieser Handlung war
der damalige Kommissar
von Heinzendorf, ich
glaube er hieß Prikril
oder so ähnlich, selbst
zugegen.
Nach
der Massenplünderung im
Oktober wurde Hofmann in
der Nacht zum 28.
Oktober durch das Bellen
seines Hundes geweckt.
Als er nachsehen wollte,
trieb man ihn mit
vorgehaltenem Revolver
in das Haus zurück. Ein
Militärauto stand im
Hof, in das zwei Männer
in Uniform die beiden
fetten Schweine (jedes
Schwein war angemeldet)
hineinzwängten, nachdem
man sie erschossen
hatte. Als das geschafft
war, wurden drei oder
vier Freudenschüsse
abgegeben, bevor man
wegfuhr. Diese
Freudenschüsse wurden
übrigens nach jeder
gelungenen Aktion
abgegeben. In der Früh
des anderen Tages
meldete Hofmann den
Diebstahl beim
Kommissar. Und nun
begann eine Komödie,
die ihresgleichen sucht.
Mit
Hundepeitschen durch das
Land getrieben
Am
Nachmittag (Sonntag)
kamen ein Auto und drei
Motorräder angefahren
zwecks Untersuchung des
„Falles“. Hofmann
wurde über eine Stunde
gequält, zuzugeben, daß
er die Schweine schwarz
verkauft hätte. In der
Zwischenzeit vergnügten
sich andere Mitglieder
der Kommission mit „Fangenspielen“.
Als die Herrschaften
wegfuhren, fehlten dem
Hofmann seine drei Truthühner
und fünf Enten.
Kommentar überflüssig.
Deutsche
Aufräumfrauen in der
Gendarmerieschule in Jägerndorf
erzählten, daß es am
28. Oktober
Schweinefleisch in
rauhen Mengen daselbst
hatte. (Die
Gendarmerieschule war
bei dem großen Raubzug
am 26. Oktober beteiligt
und bestimmte wohl die
zwei Schweine, die dann
in der Nacht zum Sonntag
gestohlen wurden).
Immerhin
war das Leben in
Wallstein noch erträglicher
gegenüber anderen
Gemeinden, deren
Bewohner zum größten
Teil ins Lager wandern
mußten, wo viele
infolge der mangelhaften
Verpflegung und des
dichten Belages in den
Baracken zugrunde
gingen. Stadt- und
Landkreis Ostrau waren
die ersten, die ins
Lager kamen, dann folgte
Troppau und Jägerndorf.
Binnen einer halben
Stunde mußten sämtliche
Bewohner der Stadt straßenweise
gestellt sein, nur mit
den notwendigsten
Kleider- und Wäschestücken
angetan, um dann in die
Lager getrieben zu
werden, deren es drei
gab.
Im
Lager selbst spielten
sich schauderhafte
Szenen ab. Alle
mittelalterlichen
Schilderungen verblassen
gegen die satanischen Haßausbrüche
dieser Untermenschen.
Man sah Menschen, die
nichts Menschliches mehr
an sich hatten, bei
denen nur das Weiß der
Augen seine ursprüngliche
Farbe besaß. Alles
andere war
blutunterlaufen und blau
und schwarz gefärbt. Förster
Stölzl aus Heinzendorf (Anmerkung:
Nachbarort von
Wallstein) wurde von
fünf Mann mehrere
Stunden lang geprügelt,
daß man sein Schreien
weithin hörte. Das ist
nur ein Fall von vielen
ähnlichen. Viele nahmen
sich das Leben, u.a.
auch der bekannte
Miniaturmaler Lus Raida
aus Jägerndorf.
Rippenbrüche,
Nierenabtrennungen,
Mastdarmaustritte waren
Folgen der Mißhandlungen.
In
die Krankenhäuser
wurden die Mißhandelten
zu spät eingeliefert.
Oft wurde der Arzt überhaupt
verweigert. Förster
Geyer, der sich im
Polizeiarrest die
Pulsader aufschnitt, mußte
verbluten, weil man
keinen Arzt zuließ. Ein
Sattlergehilfe aus Jägerndorf
wurde infolge der Züchtigung
irrsinnig. Er rannte aus
seiner Baracke mit
erhobenen Händen auf
den Hof mit dem Ruf:
„Sieg! Sieg!
Deutschland hat
gesiegt!“ Ein Milizer
schoß auf ihn. Er
sackte zusammen. Der
Milizer ging hin und
schoß dem Mann hinters
Ohr.
Von
einem Lehrerehepaar
wurde folgendes
berichtet: Der Mann erhängte
sich, die Frau nahm
Gift. Zuwenig, um tot zu
sein. Es durfte kein
Arzt geholt werden. Ein
Gendarm befahl, die Bewußtlose
zu begraben. Man
weigerte sich. Zwei Tage
lag die Frau. Dann
erschoß sie der
Gendarm. Sollte sich
jemand finden, der
anders zu berichten weiß,
bin ich gerne bereit,
mich zu berichtigen. Die
Menschenschinder dachten
sich immer neue, kleine
„Scherze“ aus.
Bauchkriechen im Dreck,
Stehen im Regen mit
erhobenen Armen,
gegenseitiges Ohrfeigen
waren die harmlosen
Unterhaltungen. Es gab
auch zünftigere. Im
Bezirksgericht mußten
sich die Häftlinge
neben einander auf den Rücken
legen und zum Gaudium
der mitgebrachten Mädchen
tanzten die Milizer,
meist entlassene Sträflinge
aus Ostrau, auf den Bäuchen
der Wehrlosen herum. Die
Gefangenen wurden
gezwungen Seife, ja
selbst ihren eigenen Kot
zu essen.
Daß
diese Auslese der
Menschheit auch mit
alten Frauen kein
Erbarmen hatte, beweist
das Schicksal meiner
alten Mutter, das viele
im Panzerlager
miterlebten. Am 14. Juli
wurde sie mit 3000
anderen ausgetrieben.
Bei dieser Austreibung
spielten sich Tragödien
in großen Ausmaßen ab.
Die ersten Fußtransporte
waren im Juni 1945. Man
„registrierte“
hauptsächlich nicht
arbeitsfähige Leute,
Alte und Kranke und
Frauen mit Kindern. Ließ
sie anstellen, sagte
ihnen sie kämen auf ein
Dorf, wo sie es besser
in der Verpflegung hätten.
Und dann trieb man sie
mit Hundepeitschen und
Maschinenpistolen durch
das Land bis an die
deutsche Grenze und überließ
sie dort dem Schicksal.
Auf diesem Marsch,
getrieben mit dem
Stecken, wie man Vieh
treibt, gingen viele
zugrunde.
Diese
Gemeinden, die zur
Austreibung bestimmt
waren, wurden zeitig früh
von allen Seiten durch
Partisanen, Miliz und
Gendarmen umstellt,
damit niemand entfliehen
konnte, die Menschen aus
ihren Häusern getrieben
und dann in Marsch
gesetzt Richtung Jägerndorf.
Manch einer nahm sich
vorher das Leben, weil
er es nicht über sich
bringen konnte, sein
Heim zu verlassen und
ins Lager zu wandern, wo
die Menschen zu Sklaven
für die Tschechen
verwandelt wurden“.