Hausnamen
und Originale in
Wallstein
Mit
seinen rd. 500
Einwohnern hatte
Wallstein, wie in
anderen Orten auch, eine
feste Dorfgemeinschaft,
die stark in die
Familien hineinwirkte.
Aufgrund der im
Vergleich zu heute höheren
Geburtenrate, die Pille
war noch völlig
unbekannt, war es nichts
ungewöhnliches, dass fünf
und mehr Familien den
gleichen Namen trugen.
Die Menschen waren durch
die vorherrschende
Landwirtschaft
im Ort verwurzelt
und aufeinander
angewiesen. Jeder kannte
jeden, seine Stärken
und Schwächen und damit
auch seine
Besonderheiten die sich
wiederum bei einigen
Bewohnern in besonderer
Weise zeigten.
Als
das größte Original
galt wohl Herr Adolf
Hertenberger aus
Verlorenwasser, nur „Herta-Pauer“
genannt. Er war belesen
und humorvoll aber auch
sehr skurril. Zu seinem
Tode im Januar 1936
schrieb Pfarrer Richard
Weidlich in der
Pfarrchronik von
Wallstein über ihn: „
Er war ein eigentümlicher
Mensch. In die Kirche
ging er fast nie. Seit
er vor Jahrzehnten
seinen 12 jährigen
einzigen Sohn durch den
Tod verloren hatte, war
er religiös gleichgültig
geworden. Er war ein
guter Mensch u.
wegen seiner Gefälligkeit
bei allen beliebt. Er
machte gern weite Botengänge
u. borgte vielen Leuten
Geld ohne Schuldschein
u. ohne Zinsen. Nach
seinem Tod bekannten
nur
2 Gläubiger je
800 Kr. ein, sodaß
sogar die Bezahlung des
Begräbnisses in Frage
stand. Es sollen gegen
40-50000 Kr. sein, die
draußen stehen. So wird
ein gutmütiger u.
vertrauensseliger Mensch
ausgenutzt.“
Besonders
beliebt war er bei
Kindern und machte seine
Späße und erzählte
ihnen manche Geschichte.
„Kender hurcht amoal
zu. Ich binn bei dan
Fliegern gewaßt und doa
iss mir beim Fliegen a
Malär poassiert. Dar
Motor hoat pletzlich
ausgesoatzt und ich
musst aus dam Flugzeug
aussteigen und binn of
an Oast (Ast) gefoalln.
Seit dam hoah ich eim
Hendern (Hintern) a
Looch.“ Da war das Gelächter
groß. Ein weiterer
Spruch von ihm ist überliefert:
„Karoline
Rompltoasche war
wird heit de Wendaln
woaschn. Ich nie aber
du.“ Dabei zeigte er
auf ein Kind.
Seine
Skurrilität war in
einer Reihe von
Beispielen zu vernehmen.
Die
eigenen Ochsen
behandelte er wie die
lieben Kinder und
titulierte sie mit Herr.
An einem Sommertag
wollte er Getreide
einfahren und brüllte
einem Ochsen im Stall
ins Ohr, ob es ihm recht
sei zu arbeiten.
Unangenehm berührt schüttelte
das Tier den Kopf. Als
er auch beim zweiten
Versuch wieder das
Kopfschütteln vernahm
sagte er ihm; „Du,
Herr, wenn’s dir heit
nie passt, foahr ich
doas Getrade salber
ei.“ Und tatsächlich
spannte er sich selbst
vor den Karren.
Er
ließ eines Tages auf
seinem Grundstück eine
neue Scheune erbauen.
Nachdem es der
Herta-Pauer liebte von
seinem Haus den Wald und
die Wiesen zu sehen,
musste er feststellen,
dass ihm nun die neue
Scheune den Blick
verstellte. Besonders
bedauerte er, morgens
und abends das äsende
Wild nicht mehr
beobachten zu können.
Dies konnte er nicht länger
ertragen und entschied
umgehend, die neue
Scheune wieder abreißen
zu lassen, was auch
umgehend geschah.
Eines
Tages wollte er mit dem
Zug von Olbersdorf nach
Jägerndorf fahren. Er
kaufte sich eine Rückfahrkarte,
verpasste aber die
Abfahrt des Zuges.
Spontan entschied er auf
dem Gleis nach Jägerndorf
zu marschieren.
Unterwegs wurde er in
Komeise von einem
Bahnbediensteten vom
Gleis verwiesen. Unser
Herta-Pauer erwiderte:
„Doas gieht Sie goar
nischt oan, ich hoah
doach a geltige
Foahrkoarte“ und setze
seinen Weg fort. Als er
in Jägerndorf seine Rückreise
antreten wollte, überlegte
er, ob er nun mit dem
Zug fahren oder wieder
laufen sollte. Sein
Fazit: „Du hoast mich
of am Harwag (Herweg)
nie metgenomm, brauchst
mich a nie of am Heimwag
metnahm.“ Er lief auf
den Gleisen wieder zurück.
Als
im 1. Weltkrieg eine
Kommission aus Jägerndorf
kam, um Speck
einzutreiben meinte er:
„Ich hoa kan, dan
missn se schoant bei
meim Weib hulln
(holen).“ Sie galt als
sehr korpulent.
Die Kommission
zog ohne Speck ab.
Teil
2
Hausnamen
waren sehr geläufig, um
viele gleichnamige Bürger
zu unterscheiden.
Titze
war häufiger in
Wallstein vertreten. In
der Bevölkerung hießen
Sie aufgrund eines alten
Hausnamens oder ihres
Verhaltens: „Pottr-Titze“
(verkaufte Butter),
Webr-Titze (waren
Weber), „Luffn-Titze“
(hatte ein großes
Mundwerk), etc.
Rudolf
Heinisch (Großwallstein
19), ein stattlicher
Mann, wurde „Koastn-Heinisch“
genannt. Er zog viele
Monate des Jahres mit
einem Kasten auf dem Rücken
über die Dörfer, um
die darin verpackten
Schnittwaren zu
verkaufen.
In der übrigen
Zeit übte er den Beruf
eines Maurers aus.
Heinze
Adolf diente beim österreichischen
Militär und eignete
sich dort besondere
Kenntnisse in der
Behandlung und Pflege
von Pferden an. Nach
seiner Pensionierung war
er Mieter der Gaststätte
Gerber-Schenke. Aufgrund
seiner erworbenen Fähigkeiten
hatte er ein besonderes
Talente erkrankte Pferde
zu kurieren. Ob seiner
Kenntnisse war er in der
Umgebung sehr gefragt
und wurde mit dem Namen
„Kurschmied“
tituliert. Tierärzte
waren auf dem Lande kaum
vertreten.
Appel
Josef (GW 2) wurde wegen
seiner Musikalität mit
„Trompetn-Appl“
bezeichnet. Zudem übte
er die Tätigkeit des
Viehkastrierers aus.
Besondere Erwähnung erfährt
er in dem Buch „Die
Gefesselten“ des
Lehrers und
Schriftstellers Erwin
Ott, der in Wallstein
ein Haus (GW 53), das
heute noch steht, und
seine, wie er sagte,
„Bergheimat“ hatte.
Im Lager, in dem Ott
nach dem Kriegsende
eingesperrt war und
schwer misshandelt
wurde, traf
er auch den Mithäftling
Josef Appel. Auf Seite
153 lässt er Appel von
den Plünderungen der
Tschechen in Wallstein
erzählen und was ihm
alles in dieser Zeit
schreckliches
widerfahren ist.
Übringens
war der Name Appel, in
Wallstein häufiger
verbreitet und darunter
gab es weitere gute
Musiker. So dirigierte
Alois Appel
(Verlorenwasser 6) den
Kirchenchor, spielte in
der Musikkapelle und in
den letzten Jahren vor
der Vertreibung auch die
Kirchenorgel.
Josef
Appel (GW 46)
auch „Kassn-Appl“
genannt,
leitete die
Raiffeisen-Kasse. Heute
würde man vielleicht
Bankdirektor zu ihm
sagen. Er galt als sehr
nett. In seinem Haus war
ein extra Raum für die
Bankgeschäfte
eingerichtet.
Hoffmann
Josef (GW 3), Altbürgermeister,
hatte als Hofname „Teppr“
(Töpfer). Vermutlich übte
einer seiner Vorfahren
das Töpferhandwerk aus
oder handelte mit Töpfen.
Er selbst hatte
damit nichts mehr zu
tun.
Wenn
es um Schmied Josef (GW
46) ging, hieß es nur
„beim heiligen
Johannes“. Vor seinem
Haus stand die Statue
des Johannes
Nepomuk Neumann,
der aus Prachatiz in Böhmen
stammte. Er wanderte
nach Amerika aus, wurde
Bischof und starb 1860.
Wegen seines Wirkens
wurde er damals schon
als Heiliger bezeichnet.
Die offizielle
Heiligsprechung erfolgte
am 19.6.1977. Erwin Ott
hat ein Gedicht über
den Nepomuk in Wallstein
mit dem Titel:
„Einsamer Heiliger in
der Nacht“ verfasst:
„All deinen Glanz
hatte die Nacht
genommen; aber dann sind
die Sterne gekommen und
der Mond über den
stillen Berg. Was am
Tage an dir nur eitler
Schein, das funkelt nun
wie aus Herrgotts
Schrein, ins Ewige
hinein.“
Ein
anderer Schmied mit
Vornamen Franz wohnte
vor seinem Tod in GW 43.
War gehbehindert,
vermutlich hatte er ein
Holzbein das beim Gehen
klapperte und besaß
hinter der
Nather-Schmide (GW 29) einen
Obstgarten, der die
Schulbuben zur Erntezeit
magisch anzog. Dies
missfiel Herrn Schmied.
Um diesem Mundraub
Einhalt zu gebieten
versteckte er sich im
Garten und passte die
Buben nach Ende des
Unterrichts ab, die sich
in seinem Garten gütlich
tun wollten.
Entdeckte
einer der Missetäter
den Besitzer war der
Warnruf: „Kloapp,
kloapp Schmied Franz
kemt“ - eine
Anspielung auf sein
klapperndes Holzbein -,
um die anderen zu warnen
und sich aus dem Staube
zu machen. Der gute
Schmied hatte dann
wieder das Nachsehen. Da
dürfte so mancher Fluch
der fliehenden Bande
nachgerufen worden sein
wie z.B.: „ Ihr
verfluchtn Hundianer“
oder “Ihr verdoamtn
Mestviechr eich soll
doach dr Teifl hulln“.
„Beim
Moalr“ (Maler), damit
war Rudolf
Adam (GW 65)
gemeint. Der Name ist
von seinem Großvater
Albert Adam, geb.
6.8.1824 in Großwallstein,
der ein sehr bekannter
Kirchenmaler war,
abgeleitet. Viele
Gotteshäuser um den
Altvater wurden von ihm,
wie Schulig in seinem
Heimatbuch schreibt, „staffiert“.
Heute noch sind Ölbilder
von ihm in der Kirche
von Olbersdorf zu
bewundern. Wenn Sie dort
verweilen, besichtigen
Sie diese Zeugnisse
unseres künstlerischen,
sudetendeutschen
Vorfahrens. Zu sehen ist
ein Bild von ihm unter: www.wallstein-sudetenland.de/wshei03e.htm.
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